Irland

Der Hungerstreik von IRA-/INLA- Gefangenen 1981

von Kirsten Knaack

1 Die Geschichte des Hungerstreiks im irisch- republikanischen Widerstand

Die Wurzeln des Hungerstreiks in Irland beginnen bereits im Mittelalter. Die zwei Formen dieses Streiks waren ursprünglich ‘Troscad’ (irisch; gegen eine Person fasten) und ‘Cealachan’ (irisch; Erreichen von Gerechtigkeit durch Hungern). Diese Formen waren durchaus verbreitet, um Ungerechtigkeiten oder Schuldfragen zu klären. Dabei fand der Streik meist auf der Türschwelle des Beschuldigten statt, denn wenn der Streikende starb, wurde der Besitzer des Hauses für dessen Hungertod verantwortlich gemacht und mußte Entschädigung an die Hinterbliebenen zahlen.

Auch im Christentum findet sich der Hungerstreik; so fastete der Nationalheilige Irlands, St Patrick, mehrmals gegen Gott, der aufgrund dieser großen Selbstkasteiung immer einlenkte.

Nach dem Osteraufstand 1916 fand das Mittel des Hungerstreiks eine Wiederauferstehung in der republikanischen Bewegung. 1917 begannen Gefangene im Dubliner Mountjoy- Gefängnis einen Hungerstreik, weil sie aufgrund ihrer Weigerung, Gefängniskleidung zu tragen und Gefängnisarbeit zu leisten, brutal mißhandelt wurden. Dabei starb Thomas Ashe, ehemaliger Anführer der IRB (Irish Republican Brotherhood), einer Art Vorgänger der IRA, durch die Folgen von Zwangsernährung[8]. Auf seiner Beerdigung sprach der Anführer der IRB, Michael Collins, den Satz aus, der auch heute noch seine Gültigkeit auf Beerdigungen von IRA- Angehörigen hat:“The volley you have just heard fired is the only speech which it is proper to make over the grave of a dead Fenian[9].“ (Beresford, S. 17)

1920 starb Terence McSwiney an den Folgen eines Hungerstreiks; er war Bürgermeister von Cork sowie OC der lokalen IRA- Brigade. Er wurde vor einem Militärgericht wegen Aufrufs zur Rebellion zu zwei Jahren Haft verurteilt. Mit 60 Mitgefangenen trat er in den sofortigen Hungerstreik, weil er die britische Gesetzgebung in Irland nicht anerkannte. McSwiney, auch Schriftsteller und Philosoph, prägte einen Ausspruch, der auch bei der Lektüre zum Hungerstreik 1981 immer wieder Erwähnung findet: „It is not those who can inflict the most, but those that can suffer the most who will conquer.“ (Beresford, S.19) Mit McSwiney starben zwei weitere Gefangene, Joseph Murphy und Michael Fitzgerald.

1923 traten in mehreren irischen Gefängnissen aufgrund des anglo- irischen Vertrages von 1921[10] insgesamt 8 000 gefangene Vertragsgegner in einen Hungerstreik; zum einen für ihre Freilassung, zum anderen als Protest gegen die Teilung Irlands. 3 Gefangene, Denis Barry, Andrew Sullivan und Joseph Whitty, starben (vgl. Beresford, S. 19; White, S. 117).

Nach 1932, nachdem sich die Partei Fianna Fail[11] gegründet hatte und die mit ihr zunächst verbundene IRA durch den ‘Offences Against the State Act’ kriminalisierte, traten von Zeit zu Zeit IRA- Gefangene mit Forderungen zur Verbesserung der Gefängnisbedingungen und zur Anerkennung als „prisoners of conscience“ (Beresford, S.20) in den Hungerstreik. 1940 starben hierbei Tony D´Arcy und Jack McNeela im Dubliner Mountjoy- Gefängnis. 1946 starb Sean McCaughey für seine Forderung nach politischem Status.

Der nächste Hungerstreik fand erst fast dreißig Jahre später, 1972, in Long Kesh[12] statt. Da die ‘rechtmäßig’ Verurteilten nicht die Rechte erhielten, die diejenigen Gefangenen hatten, die ohne Verhandlung inhaftiert waren, traten sie unter Billy McKee in den Hungerstreik. Nach 37 Tagen erhielten alle Gefangenen von der britischen Regierung einen ‘Special Category Status’, was die republikanischen Gefangenen quasi als ‘POW’ (Prisoners of War)- Status[13] ansahen[14].

In der Republik Irland trat, ebenfalls 1972, Séan Mac Stiofain in den Hungerstreik, um gegen seine Festnahme nach einem Radiointerview zu protestieren. Er brach jedoch nach 57 Tagen ab, was seinem Ruf in der republikanischen Bewegung sehr schadete.

1973 traten Doloures und Marian Price sowie Hugh Feeney und Gerard Kelly in Londoner Gefangenschaft in den Hungerstreik, um ihre Verlegung in ein irisches Gefängnis zu erwirken. Nach 200 Tagen, unterbrochen durch mehrmalige Zwangsernährung, erhielten sie ihre Forderung.

1974 und 1976 starben in britischen Gefängnissen Michael Gaughan und Frank Stagg nach ihren Hungerstreiks für den Erhalt des politischen Status. Gaughan starb an den Folgen von Zwangsernährung. Stagg, der mit Gaughan gemeinsam den Streik begann, brach nach dessen Tod ab; Ende 1975 begann er jedoch einen erneuten Hungerstreik, nachdem das Versprechen, ihn nach Irland zu verlegen, nicht eingehalten worden war.

Der Tod von Gaughan spielte eine große Rolle bei der Entscheidung der britischen Regierung, in Zukunft keine Zwangsernährung mehr durchzuführen (vgl. Beresford; S.23).

1977 traten im Portlaoise Prison in der Republik Irland 20 Gefangene in den Hungerstreik. Ihre Forderung, der politische Status, wurde aber von der Fine Gael- Regierung nicht erfüllt. Noch im gleichen Jahr fand aber ein Regierungswechsel statt, woraufhin die Gefangenen von der Fianna Fail- Regierung zwar keinen POW- Status erlangten, aber ihre Forderungen dennoch im Prinzip erfüllt wurden.

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[8] Bei der Zwangsernährung werden die Kiefer des/ der Streikenden aufgeklammert, um ein Rohr durch die Speiseröhre in den Magen zu führen. Dabei kann es passieren, daß statt der Speiseröhre die Luftröhre getroffen wird, was meistens zum baldigen Tod führt (vgl. Beresford; Coogan 1).

[9] Fenian: Bezeichnung für Mitglied der IRB, deren großer Aufstand gegen die britische Besatzungsmacht 1867 scheiterte (vgl. Coogan 2). Heute bedeutet der Begriff ‘Fenian’ umgangssprachlich, ein Angehöriger der republikanischen Bewegung zu sein; in der positiven (‘Fenian’) wie negativen Wirkung (‘Fenian bastard’).

[10] Mit dem anglo- irischen Vertrag von 1921 wurde die Trennung der irischen Insel in den ‘Freistaat’ (spätere ‘Republik Irland’) mit 26 Grafschaften und das Staatenkonstukt ‘Nordirland’ mit 6 Grafschaften, weiterhin zu Großbritannien gehörend, besiegelt.

[11] Die Fianna Fail ist nebem der Fine Gael eine der beiden großen Parteien in der Republik Irland. Seit der Gründung des Freistaates stellte immer eine dieser Parteien den Präsidenten.

[12] Die Bedingungen 1972 in Long Kesh waren folgende: Die Gefangenen lebten in einer Art Nissenhütten, getrennt nach der Zugehörigkeit zu ihrer Organisation. Die Insassen organisierten, gleich ob loyalistisch oder republikanisch, eine militärische Kommandostruktur und führten auch, mit selbsthergestellten Gewehrattrappen, militärische Übungen durch. Ferner wurden Lektionen in revolutionärer Politik und Guerillakampf abgehalten.

Die IRA- Gefangenen in Long Kesh bildeten das vierte Bataillon der Belfast Brigade. Beispielsweise wurden Ausbrüche daher von der ‘Brigade Staff’ Belfast autorisiert, die wiederum unter der Kontrolle des sieben Mann/ Frau starken ‘Army Council’ stand (vgl. Beresford, S.22).

[13] Die Gewährung des quasi- politischen Status war das Ergebnis von Verhandlungen, die zu einem kurzen Waffenstillstand der IRA und der britischen Armee führten (vgl. White, S.108).

[14] Nordirlandminister William Whitelaw bezeichnete seine damaligen Zugeständnisse an die Gefangenen später als „the biggest political mistake of my career“ (O´Day, S.86).
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